20.05.2015

Sozialer Streik – von Nicola (Berlin migrant strikers)

Auf unserer Fachtagung im März machte uns Nicola mit den sozialen Kämpfen in Italien bekannt, nachdem das Wort „social strike“ schon vorher zu uns geschwappt war (siehe auch http://www.basta.blogsport.eu, Eintrag vom 7.12.2014). Die Veröffentlichung ist verbunden mit einem herzlichen Gruß an ihn und die Berlin migrant strikers.

Die letzte italienische Arbeits(markt)reform – das Jobgesetz der Regierung des Ministerpräsidenten Matteo Renzi („JobsAct“) - ist jetzt (2015) schon verabschiedet. Sein Wirksam-werden folgt vier weiteren „Strukturreformen des Arbeitsmarkts“ in den letzten zwanzig Jahren, und zahlreichen Verordnungen, die Vertretungsrechte der Gewerkschaften betreffend, die Arbeitsvermittlung, Praktika und vorhandene „Puffer“ der sozialen Sicherheit. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit richtete sich auf die Tatsache, dass die neuesten „Reformen“ jedes Jahr ganz schnell geändert wurden, ohne sich um die betroffenen Tausende von Menschen zu kümmern, die damit sozial aufgegeben wurden, nämlich die, die noch arbeitslos sind, die ohne Zugang zu sozialer Absicherung sind, die ohne Rente sind. Vorwärtsgetrieben von den Diktaten der Troika an dabei immer dem Paradigma anderer Austeritätsprogramme[1] folgend, hat die italienische Mitte-links-Regierung die letzte Reform mit der politischen Rhetorik „Niemand soll mehr prekär leben“ verabschiedet. Dabei haben gerade sie doch „Prekarität für alle“ erreicht oder, besser gesagt, die Institionalisierung der (Lebens-) Unsicherheit. Auch stimmt diese „Arbeitsmarktreform“ total mit denen überein, die zur Zeit in Spanien oder Griechenland verwirklicht werden.

Im Sommer 2014, vor dieser kriminellen Reform der Arbeitsbeziehungen, wurde aber eine strategische Allianz geboren: Die Allianz des Sozialen Streiks. Die erste Schritte dieser Allianz begannen innerhalb eines fast tragischen nationalen Rahmens und mussten viele Zweifel beseitigen. Denn indem es Wohlfahrt und Prekarität zur selben Zeit gebiert, stellt das heutige postfordistische Zeitalter zwei Eingangsfragen an diese Allianz. Die erste ist, wie nur zeitweilig beschäftigte Arbeiter_innen einen Streik überhaupt als ein Kampfinstrument benutzen können. Die zweite ist, wie ein Weg gefunden werden kann, damit sich die Kämpfe der Arbeitenden, der Studierenden, der Prekären und der arbeitenden Armen sich zu einem Bündnis, einer Koalition, zusammenballen. Vielleicht kam diese Frage auf, weil die traditionellen Gewerkschaften es nicht schafften, dieses Bedürfnis zu befriedigen. So wurde zwar im vergangenen Dezember (2014) zu einem Generalstreik von nur vier Stunden aufgerufen, doch das war nur einmal seit 2008, dem Beginn der finanziellen und ökonomischen Krise. Oder vielleicht deswegen, weil zeitweise beschäftigte Arbeiter_innen keinerlei Schutz haben und weil die traditionellen Gewerkschaften unfähig sind, den kapitalistischen Umformungs-(oder Transformations-)prozess der italienischen Industrie von einer Industriegesellschaft hin zu einer „Dienstleistungsindustrie“ zu entziffern, ein Prozess, infolge dessen sich unsichere und prekäre Arbeitsverträge vervielfachten. Deshalb sind die Gewerkschaften Schritt für Schritt zu „Dienstleistern” geworden, sie repräsentieren nicht die Millionen prekär Beschäftigter, und sie unterschätzen den „Schwarzarbeits“markt, von dem geschätzt wird, dass er 10 bis 33 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts produziert (nach Schätzung des statistischen Amtes von Italien; ISTAT). Allerdings sind all diese Daten noch nicht mal nötig, um ein Licht auf die (offizielle) Arbeitslosenrate von ca. 13 Prozent zu werfen, die höchste Rate seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, mit dem Fokus auf die Arbeitslosenrate der Jugendlichen mit 46 %: In der europäischen Arbeitsmarktstatistik sind das so genannte NEET: Jugendliche unter 30, die nicht studieren, arbeiten oder einen Job suchen.

Die Allianz für einen sozialen Streik ist – wie gesagt - in diesem Zusammenhang geboren worden. Diese Allianz fasste antikapitalistische politische Identitäten und die Erfahrungen der sozialen Selbstorganisation des prekären Arbeitsmarktes zusammen, ebenso wie sie Teile der Gewerkschaften organissierte – darunter sehr wichtige und repräsentative, z.B. die FIOM [2], soziale Zentren, selbstorganisierte Arbeiter_innen im Logistikbereich und Migrant_innengruppen.

Am 14.11.2014 versuchte diese soziale Allianz, den ersten Sozialen Streik zu organisieren: In jeder Stadt, über das ganze Land verstreut, haben Menschen die Straßen blockiert, verweigerten sich der (Lohn-) Arbeit, gingen nicht hin, protestierten in Demos, bildeten Streikposten außerhalb der Fabriken. Neue Räume wurden besetzt, dies alles wurde verbunden mit eine Medienkampagne auf Facebook. In Italien gibt es 28 Millionen Internetzugänge (Internetaccounts), das ist für je zwei Menschen immer ein Zugang. Da der Streik 24 Stunden lang mit einer außergewöhnlichen Kontinuität dauerte, brach er den Konsens der Regierenden auf und brachte viel Ärger mit sich, so als sie mit Polizeimaßnahmen auf streikende Arbeiter_innen reagierten. Nachdem diese ersten positiven Resultate erreicht waren, hat sich die Allianz entschieden, „Laboratorien des sozialen Streiks“ in jeder Stadt zu gründen. Das sind Treffpunkte, an denen alle, die von Prekarität geknechtet sind, ihre eigenen Ideen und Erfahrungen in einer Umgebung austauschen können, begründet auf den Prinzipien einer kommunitären Organisation und der Gegenseitigkeit. Benannt sind diese Laboratorien auch so, um an die früheren „Häuser der Arbeit“ in der vorfaschistischen Periode Italiens zu erinnern.

Der Umfang dieser Koalition für einen sozialen Streik erlaubt es, die eigenen Aktionen nicht auf einen einfachen „Eingriff in die Produktion“, um sie zu stoppen oder zu zerstören, zu beschränken, und er gibt der Allianz die Möglichkeit, sich immer und wieder neu auf unterschiedliche Art zu erfinden. Das hängt vom jeweiligen Ort ab, von den jeweiligen Umständen in der Umgebung, und vom jeweiligen Kontext. Der grundsätzliche Charakter der Gegenseitigkeit (auf Augenhöhe) der „Sozialen-Streik-Laboratorien“ hat seinen Erfolg darin, dass Solidarität erprobt und etabliert wird und die Tatsache, die eigenen Erfahrungen miteinander auszutauschen und voneinander zu lernen. Durch dieses „Experiment“ nehmen sich die zeitweilig Beschäftigten und die arbeitenden Armen gegenseitig und als eine „Klasse“ wahr, weil sie das rhetorische System, die Mär vom dem/der „Selbstständigen“ (engl. self-made man) erschüttert haben – das Schlüssel-Paradigma auch der italienischen Form des Kapitalismus. Darüber hinaus hat die Allianz für einen sozialen Streik einen nationen-übergreifenden Aktionsplan vorgeschlagen, um ein umfassendes und bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern: Italien und Griechenland sind die einzigen beiden europäischen Staaten, die kein wie auch immer gestricktes System für erwerbslose Menschen als Schutz besitzen, sowie eine allgemeine (zweijährige) Niederlassungserlaubnis, [3], welche nicht an die Arbeitssituation oder den Arbeitsplatz gekoppelt ist, einen branchenübergreifenden Mindestlohn, soziale Sicherheit und Steuergleichheit. Zu diesem Zweck auch die Forderung nach einer neuen Arbeitsmarktreform, die die Ungleichheit der vorherigen Gesetze und den Gebrauchswert nur für die Bosse überwindet und darüber hinausgeht. Das ist es auch, warum am 19. März 2015 die Allianz für den sozialen Streik sich bereit sah und sich mit all den anderen Arbeiter_innen, Erwerbslosen und arbeitenden Armen verbündete, um anzufangen, sich eine größere Front vorzustellen, die in der Lage ist, die Politik der Austerität zu bekämpfen, sowohl in ihrer neugestalteten autoritären Dimension zu herrschen und zu regieren als auch in ihren sozial-politischen Entscheidungen.

Fußnoten: [1] Wikipedia sagt dazu: Austerität (engl. austerity, von altgr. αστηρότης „Herbheit“, „Ernst“, „Strenge“) bedeutet „Disziplin“, „Entbehrung“ oder „Sparsamkeit“. Der Begriff wird heute vor allem in ökonomischen Zusammenhängen gebraucht und bezeichnet dann eine staatliche Haushaltspolitik, die einen ausgeglichenen Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus ohne Neuverschuldung anstrebt (Austeritätspolitik).
[2] FIOM ist die Metallarbeitergewerkschaft innerhalb des Gewerkschaftsbundes CGIL, einer der größten in Nachkriegsitalien. Diesem wurde, obwohl unabhängig, oft die Nähe zur kommunistischen Partei unterstellt.
[3] Für Überraschung sorgte in europäischen Diskussionen die Forderung nach einer zweijährigen Niederlassungserlaubnis für alle Menschen in Europa, die von vielen italienischen Gruppen als Sofortforderung verstanden wird, von anderen Gruppen aber nicht als ausreichend angesehen wird.
25.11.2013

Arbeitsmigration und der EFA-Vorbehalt der Bundesregierung im Zusammenhang mit Hartz IV am 4.10.2013 in Bielefeld

Es ist keinesfalls juristisch eindeutig, dass EU- und EFA -Bürger_innen vom SGB II dem Grunde nach ausgeschlossen sind, wie es uns eine bürgerliche Presse weismachen will und Parteienvertreter verzerrt darstellen. Deshalb lohnt es sich für uns als Initiativen, Erwerbslosengruppen Menschen Flankendeckung zu geben bei der Durchsetzung ihres Rechtes auf SGB II-Leistungen. Das EFA-Vertragswerk von 1953 regelte die soziale Absicherung und Einbindung der sich rechtmäßig in Westdeutschland aufhaltenden Wanderarbeiter_innen. Das EFA-Abkommen entfaltet unmittelbare Gesetzeskraft. Die Bundesregierung will diese Wirkung aushebeln. Der wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung hat keine eindeutige Stellungnahme zum Handeln der Bundesregierung abgegeben, sich nicht positioniert. Die Bundesregierung hat es 2004 mit der Hartz-Gesetzgebung unterlassen, das neue Gesetz dem Europarat mitzuteilen.….(weiter lesen unter:http://www.bag-plesa.de/veranstaltungen/2013-10_bielefeld/einladung.php)

 


Überlebenskampf der Einwander_innen

Die Bundesregierung erklärt in 2011 „einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen“ von 1953. Gerichte haben diese Angelegenheit noch nicht abschließend bewertet und entschieden, aus Parteien wie den Grünen, der SPD regt sich Widerspruch ob des Umganges mit qualifizierten Arbeitskräften. Die Folge für die einwandernden Menschen der EFA-Staaten, ist der Teilausschluss aus der Grundsicherungsleistung, dem SGB II.

Der Wechsel von Menschen aus einem EFA-Staat (Europäisches Fürsorge-Abkommen) in die Bundesrepublik bedeutet immer, dass diese ihr Herkunftsland verlassen haben. Das Verlassen des Herkunftslandes bedeutet einen Aufbruch. Es bedeutet aber auch den Verlust der dortigen sozialen Leben und Beziehungen, wie zu den Kindern, Freund_innen, dem Rhythmus, den Gerüchen, der Sprache etc.

Welche Rolle hat die politische Klasse Deutschlands für die Zuwander_innen aus den EFA-Staaten vorgesehen? Diese Menschen dürfen einreisen, sich also in Deutschland aufhalten, hier arbeiten, Steuern bezahlen, sich anmelden und Wohnungen mieten, aber im Falle der Hilfebedürftigkeit wird ihnen keine Unterstützung zuteil, die Tür des Krankenhauses bleibt verschlossen.

Sind Zuwander_innen materiell gut ausgestattet, ergeben sich auf den 'ersten Blick' wenig Probleme. Nun wandern Menschen aber auch ein, um der existentiellen Bedrohung, der Armut, Erwerbslosigkeit in ihrem Herkunftsland ihnen zu entgehen. Bei den Einwander_innen der EFA-Staaten handelt es sich häufig um Menschen mit Berufsausbildung oder Studium.

Wobei - auf den 'zweiten Blick' - ein Problem für diese Einwanderungsgruppe besteht, ob diese Bildungstitel formal anerkannt werden, die mitgebrachte Qualifikation ausreicht, um einen Arbeitsplatz zu finden. Den Widrigkeiten zum Trotz gelingt es einigen, selbst mit niedrig entlohnter Arbeit ihre materielle Situation gegenüber der im Herkunftsland zu verbessern (z.B. als dienende Klasse, Geschlecht in der Pflege, auf dem Bau)

Emigrationsgründe sind vielfältig. Neben den ökonomischen Krisen sind weitere  Gründe Naturkatastrophen, Hungersnöte, (Bürger-)Kriege und sexualisierte Gewalt, die Frauen und Männer bewegen, ihr Herkunftsland zu verlassen. Weltweit sind meistens die Frauen auf der Flucht. Ihre soziale Situation ist immer heikel, ob als Illegalisierte oder Asylbewerberinnen. Dies gilt für Frauen aus Nigeria, die vor Geschlechtsverstümmelung oder derzeit Menschen aus Syrien, die vor dem Bürgerkrieg fliehen.

Die Anzahl derer, die es schafft nach Europa/Deutschland zu entkommen ist gering. Diese Menschen leben von den dürftigen Leistungen für Asylbewerber_innen, die zudem nur unwillig gewährt werden. Häufig werden sie um einen Teil der erbärmlichen Beträge betrogen, oder sie sind vollständig ausgegrenzt, weil ihnen hier kein Schutz gewährt wird.

Warum wird Einwanderung und Asyl zum Anlass der Spaltung im Aufnahmeland Deutschland und den anderen europäischen Staaten genommen?  Antwort: Unter anderem, um die unterschiedlichen Ausformungen einer gleichen Problematik der materiellen Verarmung in einem sich umstrukturierenden Arbeitsmarkt möglichst ungetrübt von Protesten/Aufständen über die Bühne zu kriegen.

Da aber für alle die Ausgangsbasis (Einkommen mit und ohne Lohnarbeit) sehr schlecht ist, wird neidvoll auf Heller und Cent geschaut.
Besonders Frauen wurden in der Geschichte und werden immer wieder als Belastung und Konkurrentinnen auf dem Arbeitsmarkt gesehen. Migrantinnen sind daher zusätzlich Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt.

Um uns allen mehr Glück zu ermöglichen, lasst uns politisch miteinander und solidarisch zusammenstehen.


Erste Internationale Wiener Arbeitslosenkonferenz:

am 25.4.2013 10:00 - 20:00

Die Falle schnappt zu:

Arbeitsmarktpolitik in Österreich und Europa

www.arbeitslosenkonferenz.at/de

Worum geht es?

Ausgangslage:

Im Herbst 2007 wurden mit der AlVG-Novelle 2007 bislang gesetzlich nicht ganz gedeckt AMS-Maßnahmen insbesondere zur Schaffung eines „2. Arbeitsmarktes“ durch sozialökonomische Betriebe und gemeinnützige Beschäftigungsprojekte im nach hinein legalisiert und die Rechte der Erwerbsarbeitslosen wurden weiter abgebaut.

Dabei handelte es sich um den ersten Schritt zur Durchsetzung des „neoliberalen Aktivierungs- und Arbeitszwangregime“: Durch eine dogmatisch vertretene Ideologie der „Wiedereingliederung“ wird die Schuld an der Arbeitslosigkeit nicht den fehlenden Arbeitsplätzen sondern „Vermittlungshindernissen“ und somit den Betroffenen selbst zugeschrieben.

Mit der Mindestsicherung werden nun auch „Sozialfälle“ dem AMS-Regime unterworfen. Mit der Abschaffung der befristeten Invaliditätspension werden nun sogar (Teil)Invaliden zum AMS verschoben. Das AMS wird so zur zentralen Armenpolizei ausgebaut, ohne dass eine tiefere Diskussion stattgefunden hätte, geschweige denn organisierter Widerstand dagegen.

Ähnliche Entwicklungen finden in ganz Europa unter zum Teil unterschiedlichen politischen Konstellationen statt. Es dürfte weniger ein „Masterplan“ dahinter stehen. Vielmehr scheint diese Entwicklung ein Ausdruck der herrschenden Verhältnisse in Politik und Wirtschaft zu sein und sie dürfte daher den einzelnen AkteurInnen zum Teil unbewusst zu passieren. Politische Aufklärung ist daher dringender denn je.

Mit dem von der FORBA (Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, Wien) herausgegebenen Buch „Neue Prekarität – Die Folgen aktivierender Arbeitsmarktpolitik – europäische Länder im Vergleich“ wurde nun ein erster Schritt zur fachlichen Auseinandersetzung gesetzt.

Die massiven Formen des Abbaus des Sozialstaates und von ArbeitnehmerInnenrechten in Griechenland und Spanien zeigen nur allzu deutlich, dass letzten Endes die Arbeits- und Lebensbedingung aller ArbeitnehmerInnen vom Verwertungsinteresse des Krisenkapitalismus betroffen sind.

Ziele der Konferenz:

Kurzvorträge und Open Space - weitere Kurzvorträge / Themengruppen möglich. Bitte anmelden bei kontakt [at] aktive-arbeitslose [dot] at

http://www.arbeitslosenkonferenz.at/de/content/konferenzprogramm