Beratung und Begleitung / Rechtstipps

„Angst essen Seele auf“. Das ist nicht nur ein Film, sondern es ist ein Gefühl, das wir immer wieder verspüren, wenn wir alleine zum JobCenter gehen. Die Sozialgesetze SGB II und SGB XII sind von sich aus repressiv. Sie sind verabschiedet worden, um den erwerbslosen und gering verdienenden Menschen Angst zu machen, sie zu schikanieren, Sanktionen zu verhängen und selbst den kargen Regelsatz, der  uns gesetzlich zusteht, erst nach größerem Druck, mit Begleitung oder gar erst nach gemeinsamen Zahltags-Aktionen auszuzahlen.

Wir haben die Erfahrung gemacht, aus einem "gesunden Misstrauen" dem Staat gegenüber, uns gegenseitig zu Behörden, zu JobCentern, zur Agentur für Arbeit, Ausländerbehörden, Passämtern, zur Polizei und Gerichten, zu begleiten, ist besser und hilft. Es tut uns gut und es gibt Bares.

Der Begriff Beratung hingegen muss differenziert und selbstkritisch betrachtet werden. Auf der einen Seite ist jede Beratung von Betroffenen politisch.  Fast jede Unterstützung ist existenziell erforderlich für die Betroffenen. Dennoch haben wir eine kritische Distanz zur sozialarbeiterischen Dienstleistung, die Beratung auch bedeutet. Will man einem /einer Betroffenen helfen, so muss klar sein, was gemeinsam erreicht werden soll. Verhindert werden soll in jedem Fall, dass die Begleiter_in zur Handlanger_in des Amtes wird. In der Beratung selbst werden Menschen immer wieder dazu ermutigt, sich in einer unabhängigen Initiative politisch zu organisieren. Dies ist ein längerer persönlicher  und gleichzeitig ein kollektiver Prozeß.

Mit unserer Tätigkeit als Berater_innen ist eine Tür geöffnet, uns illegale Tätigkeit zu unterstellen oder/und uns Unprofessionalität  vorzuwerfen. Auch versucht der Staat, das Instrument, das uns mit dem SGB X zur Verfügung steht, durch Auflagen, die im Rechtsdienstleistungsgesetz formuliert werden, wieder zu reglementieren, in Schranken zu weisen.

Beratung und Begleiten ist mit gesetzlichen Normen verbunden, mit denen uns die JobCenter in unserer alltäglichen Arbeit einen Stock zwischen die Beine werfen können. Sie versuchen immer öfter, unsere Arbeit während der Begleitung mit repressiven Hausverboten oder Verfahren wegen Hausfriedensbruchs und anderen Mitteln zu verhindern (Köln, Glauchau, Berlin).

Beratungsstellen und Initiativen werden in den letzten Jahren von staatlicher Seite zumeist gönnerisch unter "Selbsthilfe" oder "ehrenamtliche Arbeit" subsumiert, einige schon seit den Achtziger Jahren vom Staat finanziert. Diese Finanzierung gibt es nicht geschenkt, sie musste aus der Sicht der Akteurinnen erstritten werden und wurde bei sogenanntem politischem Fehlverhalten auch wieder entzogen.

Durch unser Begleiten und unsere Beratung setzen wir jedoch kollektive Selbstorganisation an die Stelle von Vereinzelung, Repression und rechtswidrigem Handeln der JobCenter.

Die Themen Beratung und Begleiten werden auf diesen Seiten mit ihren Widersprüchen dargestellt, sowie eine Bewertung des Rechtsdienstleistungsgesetzes von Norbert Hermann vorgenommen. Unsere Rechte und unsere Möglichkeiten, uns zu wehren und erfolgreiche Aktionen im Zusammenhang mit Beraten und Begleiten sollen auf diesen Webseiten dokumentiert werden.

Rechtsdienstleistungsgesetz, Bevollmächtigung und Beistandschaften

Vorträge von Norbert Hermann (Februar 2012):

Beraten und Begleiten (Ergebnisse der Fachtagung vom 21./22. Juni 2013)

1. Warum eine Begleitung- ein kritisches Mitgehen an der Seite der „Schwachen“, der (potentiellen)Lohn- Abhängigen, unserer Selbst, notwendig ist.

„Das Recht zu leben steht über dem Privateigentum“.

Grundlegend ist, dass unsere Existenz über den Regelsatz nicht ausreichend sichergestellt ist. Hinzu kommt, dass das Einkommen von Grundsicherungsbeziehenden durch stützende gesetzliche Instrumente und durch ideologische verankerte Verurteilungen der Hilfsbedürftigen durch Sachbearbeiter_innen zudem immer wieder gekürzt wird. Deshalb ist das Begleiten nicht irgendeine Aktivität und schon gar keine von Spezialist_innen. Sie ist die Handlung die in vielen Orten als notwendige Gegenwehr der Gegenwart, Hilfe auf Gegenseitigkeit erlebt wird. Sie ist deswegen auch kein selbstloser Akt, sondern eine selbsttätige Handlung.

Wir sind authentische Zeug_innen und Chronist_innen realen Geschehens. Es geht also darum im Nachklang auch Bericht zu erstatten und zu informieren, wie wir unsere Interessen verteidigt haben. Außerdem sind das lebendige Erfahrungen, die von Mund zu Mund gehen

2. Was ist ein Beistand – „Begleitung“

Ein „Beistand“ ist eine Person des „Vertrauens“, die nicht für sondern neben dem/der Betroffenen auftritt. Ein Beistand ist das „unselbständige Sprachrohr“ des/der Betroffenen und kann Hilfen geben zur Formulierung, in Sachfragen und in Rechtsfragen. Das vom Beistand Vorgetragene gilt wie von dem/der Betroffenen vorgebracht, sofern diese/r nicht unverzüglich widerspricht (d.h. spätestens bis zum Schluss der Verhandlung). Wird erst nachträglich widersprochen, so muss die Behörde trotzdem von Amts wegen den wahren Sachverhalt ermitteln. Ein Beistand ist eine Person, sind Personen die keiner besonderen Legitimation bedürfen, es genügt das gemeinsame Erscheinen. Das gilt für die mündliche Beteiligung. Für den schriftlichen Vortrag ist allerdings wegen der eingeschränkten Widerspruchsmöglichkeit wiederum eine Vollmacht notwendig.

3. Was erhoffen wir uns vom Begleiten

Durch die Anwesenheit einer nicht unmittelbar beteiligten Person ist der/die zu Begleitende hoffentlich entspannter. Die Begleiteten fühlen sich sicherer im Vortragen ihres Anliegens und werden möglicherweise fachlich und sachlich unterstützt. Die Betroffenen klagen seit Jahren über die fehlende Qualifikation der Sachbearbeitungen in den SGB II-Behörden. Also sollte eine Begleitung eine Qualitätssteigerung bei der Durchsetzung gesetzlich vorhandener Rechte sein. Inzwischen wird die mangelnde Fachlichkeit auch von etlichen Personalräten und Mitarbeiter_innen, wie Inge Hannemann, nach außen kommuniziert/zugegeben.

Die Begleitung verdeutlicht, dass der scheinbar „individuelle Konflikt“ um die Existenzsicherung, ein Massenphänomen ist, nicht nur im Amt sondern auch im Niedrig-Lohnsektor ist. Im Amt erleben wir ein unnötiges und bedrückendes Treffen. Wenn es klappt können wir gemeinsam Lehren aus dem Erfahrenen ziehen. So wird Begleitung Aufklärungsarbeit beim Tun. Wir erhoffen uns deshalb auch über die Aktion Begleiten einen ersten Schritt hin zu „Wir können nicht mehr so weiterleben.“ Die zu Begleitenden haben eine Entscheidung getroffen, sich der Willkür nicht mehr alleine auszusetzen.

Vom Begleiten erhoffen wir eine Dynamik, eine Spontaneität, dass aufgestaute Aggressionen nicht umgeleitet werden auf vermeintliche Sündenböcke, sondern dort abgelassen werden wo sie verursacht werden.

Die Mechanismen von Herrschaft zu de-legitimieren, weil über das Begleiten deutlich wird, dass Unrecht geschieht, sowohl gesetzlich als auch gegen Menschenrechte und Würde. Begleiten zeigt unmittelbar, dass wenn Menschen zusammenhalten, sich zumindest die akute Notlage lindern lässt. Die Begleitung ermöglicht uns von Betroffenen zu Informierten und Engagierten zu werden. GEMEINSAM lernen, Ansprüche zu denken und formulieren.

4. Was sind die Bedingungen des Begleitens

Die Person wird in der Regel vorgeladen zu einem Termin. Eine Sanktion droht, wenn der Termin nicht eingehalten wird. Als Folge wird das Geld nicht ausgezahlt. Der Termin kann der Erzwingung einer Teilnahme an Maßnahme dienen. Das heißt, die zu Begleitenden sind nicht freiwillig im Amt und haben enormen emotionalen, physischen Druck.

Das Amt ist keine uns wohl gesonnene Einrichtung. Wir müssen rechnen mit Wartezeiten, entwürdigenden Einlasskontrolle u.a. durch Sicherheitsdienste, Passkontrollen beim PAP und Kameraüberwachung. Die Behörde ist ein öffentlicher Raum mit rigider Hausordnung. Aus innerer Unsicherheit und Not flüchteten sich so manche Sachbearbeitende in unsachlich und unverbindlich begründete Abweisungen. Das wird nicht mehr so leicht möglich sein, wenn Begleitungen als Zeugen anwesend sind. Wünscht die Sachbearbeitung die Hinzuziehung eines „Beistands“ auf der Behördenseite, so ist das zu akzeptieren.

5. Rechtlicher Rahmen

Die rechtliche Grundlage der Begleitung wird eindeutig durch das Sozialgesetzbuch (§13 Abs.4 SGB X) geregelt. Darin steht: „Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.” Deshalb sagen wir auch unsere Namen nicht, aber auch um uns selbst zu schützen.

Die solidarische Unterstützung durch die Beratung und die Begleitung (Ausübung der Vollmacht) kann nicht einfach von einer Behörde untersagt, geschweige denn verhindert werden. Hat die Behörde Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines solchen Tuns, so kann sie das nicht eigenständig feststellen, sondern hat den Rechtsweg zu bemühen und bei der zuständigen Behörde zu beantragen, dass diese Tätigkeit untersagt wird (§ 9 Abs. 1 RDG). Bis zu einer möglichen Untersagung ist diese Tätigkeit zu dulden und zu unterstützen.

Familienangehörige und Vertreter_innen von Vereinigungen mit sozialpolitischer Zwecksetzung dürfen unter keinen Umständen zurückgewiesen werden. Eine rein soziale und emotionale Begleitung ohne Stellungnahme zu Rechtsfragen ist immer zulässig und kann nicht zurückgewiesen werden.

Die Zurückweisung von Personen, die „zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig“ oder „ungeeignet“ sind kommt in der Praxis selten vor. Die genannten Merkmale sind streng restriktiv auszulegen. Über eine Zurückweisung muss eine schriftliche Mitteilung erfolgen. Die Zurückweisung ist ein Verwaltungsakt (im selbständigen Nebenverfahren), gegen den Zurückgewiesene die üblichen Rechtsbehelfe anstrengen können. Werden unzulässigerweise Rechtsdienstleistungen erbracht, muss eine Zurückweisung zwingend erfolgen („wiederholte, gewohnheitsmäßige Tätigkeit“, Vorwurf einer „geschäftsmäßigen“ Tätigkeit). Eine Zurückweisung ist aber erst wirksam nach Benachrichtigung der Verfahrensbetroffenen.

6. Wie vorgehen, wie vorbereiten

Wir denken, eine persönliche Vorbesprechung ist ratsam. Es ist die Entscheidung der Initiative vor Ort, ob Sie auch „spontan“ begleitet. Allen Beteiligten einer Begleitsituation sollte klar sein, was erreicht werden soll. Was Thema ist, gibt der/die Ratsuchende vor. Es ist sinnvoll, dass alle ihre Rolle/Aufgabe bei der Begleitung klar haben. Ist der Beistand nur moralische Stütze und schweigt, schreibt Protokoll.

In unserem Fall ist die Rolle im § 13 Abs. 4 SGB X definiert: Wir sind Beistände!

Wichtig ist im Gespräch mit dem/der PAP, das die Problematik und der Grund des Kommens und den geltend gemachten Anspruch gleich zu Beginn darlegt werden. Sollte ein PAP unfähig sein, das Gesagte aufzunehmen oder wird ausfallend, besteht immer die Möglichkeit das Gespräch abzubrechen, zu unterbrechen und/oder die nächst höhere Dienststelle einzubeziehen.

Das Herausnehmen von Zettel und Stift und das Mitschreiben wirken verunsichernd auf die Sachbearbeiter. Bisher hatten sie die protokollarische Hoheit und gleichzeitig die Begründung, die Vorgeladenen nicht anzuschauen.Es sollte versucht werden, die Leistungen auf dem „normalen Verwaltungsweg” zu erhalten, z.B. durch einen Antrag auf Barauszahlung von Leistungen oder bis zu welchem Zeitraum die Leistungen ausgezahlt sein müssen. Eine Durchsetzung von Rechten mit mehreren Beiständen sollte möglichst dann erfolgen, wenn eine gesicherte Rechtsposition gegeben ist, d.h. ein unabweisbarer Bedarf und Rechtsanspruch auf den Erhalt von Leistungen besteht. Jedes stattgefunden Termin im Amt erhält einen „Beratungsvermerk“ (das Protokoll vom PAP). Es ist manches Mal sinnvoll das in schriftlich zu verlangen, mitzunehmen. Die Beistände sind keine Helden, es geht nicht unmittelbar um sie. Nach jeder Begleitung sollte es eine Nachbesprechung geben und ein Protokoll, falls eine Zeugenschaft im weiteren Verfahren notwendig wird.

7. Rechtsberatung 1935 und die Folgen

Bis 1933 herrschte das Prinzip der freien Rechtsberatung. Nicht einmal in der autoritären Monarchie gab es ein Verbot der nichtanwaltlichen Rechtsberatung. Wer sie gewerblich ausübte hatte dies lediglich bei der Ordnungsbehörde gegen Aushändigung des sog. Gewerbescheins anzumelden.Dies änderte sich im Dezember 1935 mit Einführung des Gesetzes zur Verhütung von Missbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung. Neben dem Bestreben, jüdische und andere missliebige Juristen auszugrenzen, spielten – ähnlich wie unausgesprochen heute – arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle. Durch Pflege des Stellenmarkts wollten sich die Machthaber der Anwaltschaft andienen. Tatsächlich ist die Bundesrepublik das einzige Mitglied der Europäischen Union das die Rechtsberatung den Anwälten vorbehält.

8. Abschließend sollten wir uns Gedanken machen zu unseren Organisationsansätzen

Der „Terror der Ökonomie“ (Forrester: 1996) erstreckt sich vom Arbeitsverhältnis bis ins Privatleben. Dieser ökonomische Imperativ wird gesellschaftlich durch harte Kontroll- und Sanktionssysteme ergänzt. Die Folgen neoliberaler Politik kennen wir als Entdemokratisierung, Prekarisierung etc. Die Anforderung an soziale Proteste ist es also, nicht in die „neoliberale Falle“ (Harvey 2007: 54) zu tappen. Dazu gehört es, einen substantiellen demokratischen Prozess zur emanzipatorischen Transformation der Gesellschaft einzufordern, statt den Kampf mit nur juristischen Argumentationen zu führen. Wir denken, dass Bewegungen stark sind, wenn sie in erster Person kämpfen und wissen, wofür sie einstehen. Dazu gehört gerade die Erörterung von Alltagsfragen (eigene sozialen Ängste und Probleme). Wie wohnen wir, was konsumieren wir, welchen Widersprüchen erliegen wir durch Arbeit und Lebensbedingungen, welchen Platz haben Krankheit, Alter, Kinder, Jugend, Zukunftsängste etc.? Eine Erwerbslosenbewegung, die internetbasiert und netzwerkförmig, individualisiert und nur temporär besteht, um nach Erledigung eines Events, eines Themas wieder zu zerfallen, halten wir für Zeitverschwendung.

Wichtig scheint uns, sich zu konzentrieren. Für Erwerbslose ist deshalb die Frage nach der verbrieften Existenzsicherung die zentrale Frage, neben den Fragen: wie wollen wir leben, wohnen, arbeiten. Unsere politische Tätigkeit versteht sich als basisdemokratisch, Entscheidungsrechte sind durch Vollversammlungen und gewählte Gremien institutionalisiert, Entscheidungen werden im Konsens getroffen, sodass niemand ausgeschlossen wird und Minderheitenrechte gewahrt sind (wie)

9. Was sind darüber hinaus unsere Motive

Wir wollen die Verbindung von Lebensgeschichte und aktueller sozialer, wirtschaftlicher und politischer Gegenwart in den verschiedenen Behörden, am Arbeitsplatz aufzeigen. Wenn der Niedriglohnsektor sich ausbreitet, die Agenda 2010 den Zwang zur Niedriglohnarbeit z.B. über Sanktionen, immerwährende materielle Unsicherheit, alle halbe Jahre die gleiche Zitterpartie bei der Antragstellung etc. begleitet. Der Selbstbestimmung, der Selbsttätigkeit, der Autonomie einen Weg zu eröffnen (weg von politischer Repräsentanz, Unterwerfung und Delegation). In den Initiativen sind wir bemüht, ein politisches Angebot machen zu können, mitmachen, mehr werden. Über lokale kontinuierliche Arbeit miteinander das Vorbereiten und ermöglichen Teil einer Bewegung zu sein.

Wir machen diese gewerkschaftliche Arbeit seit Jahren. Ein Mensch, der beisteht, vertritt nicht die Interessen des Anderen, auch deshalb ist diese Form der Solidarität eine für uns geeignete konkrete Eingriffsmöglichkeit. Unser großer Schwachpunkt ist die Verlässlichkeit. Viele Gruppen halten diesen Ansatz nicht auf Dauer aufrecht. Wir sind keine Mittler­_innen zu den Behördenmitarbeitenden, die damit ein verlängernder Arm der Stabilisierung und Erhaltung des Regimes der Ausbeutung sind.

Die Hartz IV - Agenda 2010 ist nicht beseitigt, aber wir haben kleinste Abwehrerfolge im Alltag, die sind nicht immer sichtbar; ohne uns wäre es unerträglicher. Andererseits fehlt es noch daran, die Isolierung der lokalen Aktion zu durchbrechen. Auf beiden Ebenen sind wir noch nicht erfolgreich.

Fazit:

Das Begleiten ist also nur eine Möglichkeit für uns, lokal einzugreifen in den politischen Alltag. Dabei liegt die Konzentration beim Beraten und Begleiten stärker auf dem Aufzeigen systemimmanenter Diskriminierungsstrukturen, dem „Opferstatus“, der sozialen Deklassierung, der Nicht-Teilhabe von Erwerbslosen, der mangelnden existenziellen Absicherung. Das Projekt der Mitläufer (der „Piraten“) zeigt das ebenfalls. Wobei wir denken, dass die gewählte Begrifflichkeit des „Mitläufers“ keine unproblematische ist. Für Peter Brückner sind Mitläufer Personen, „die sich politisch passiv und indifferent verhalten, das wollen wir mit unsere Beratung und Begleitung nicht. Wir wollen nicht einfach den Anschluss an die Fleischtöpfe des kapitalistischen Eigentums, wir sagen eine andere Gesellschaft ist möglich und nötig. Dass auch die ganz konkreten Fleischtöpfe nicht unsere sind, haben unter anderem die Oldenburger gut aufgedröselt (Nahrungsmittelkette, Rechtsgleichheit).

Kleine Geschichten der Ermutigung:

Beispiel 1:

100 Hartz-4-Empfänger hatten am 2. Februar 2007 in der Arbeitsagentur Herne so lange randaliert, bis ihnen das fehlende Geld ausgezahlt wurde. Angesichts der Menge der aufgebrachten Leute hatte Bochums Polizeisprecher Volker Schütte von einem „Massenüberfall in noch nicht da gewesener Dimension“ geredet. Am Nachmittag entspannte sich die Situation schlagartig wieder- als alle ihr Arbeitslosengeld erhalten hatten.

Beispiel 2:

Die soziale Qualität des Widerstandes lässt sich gut in Gorleben erkennen. Ohne das soziale Verhältnis der Menschen zueinander wäre schon alleine die beeindruckende Bereitstellung der Protest- und Widerstandsinfrastruktur vor Ort unmöglich. Und ohne diese gewachsene Infrastruktur, die sich aus den in vielen Jahren des Kampfes gesammelten sozialen Erfahrungen ergeben hat und auf die immer wieder und weiter aufgebaut wird, wäre weder für eine Sitzblockade noch für das Schottern oder andere militante Aktionen die Basis vorhanden gewesen. (Detlev Hartmann, Köln)